Deutsche Nachrichtendienste - Zwischen Zeitenwende und Reformen

Was bedeutet die sogenannte Zeitenwende eigentlich für die deutschen Nachrichtendienste? Welche Reformen sind nötig, oder haben bereits stattgefunden, um unsere Nachrichtendienste bereit zu machen für die aktuellen Bedrohungen und neue Herausforderungen wie die hybride Kriegsführung Russlands oder neue Phänomene wie Big Data.

 

Um diesen Fragen nachzugehen, fand am 11.04.2025 eine dreiteilige Veranstaltung an der Uni Erfurt zu den deutschen Nachrichtendiensten zwischen Zeitenwende und Reformen statt. Zum Auftakt der Veranstaltung gab Stephan Kramer, Präsident des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz, ein eindringliches Grußwort. Er betonte, dass Deutschland und Europa sich in einer sicherheitspolitischen „Zeitenwende“ befänden und warnte davor, demokratische Institutionen wie den Verfassungsschutz reflexartig zu delegitimieren. Stephan Kramer verwies auf die wachsenden Gefahren durch den Rechtsextremismus und forderte eine stärkere gesellschaftliche Resilienz durch „wehrhafte Demokratie“ – mit mündigen Bürger*innen, Dialog, Engagement für die Demokratie und der Zusammenarbeit aller Institutionen, in diesem Sinne vor allem auch der Praxis und der Wissenschaft.

 

Den Worten, dass Behörden wie die Ämter für Verfassungsschutz und die Nachrichtendienstforschung auf beiden Seiten profitieren, wenn sie zusammenarbeiten, schloss sich Prof. Dr. Susanne Fischer (Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung) im zweiten Teil der Veranstaltung an. In einem Vortrag ordnete sie aus politikwissenschaftlicher Sicht die aktuelle Lage der Nachrichtendienste in den sicherheitspolitischen Paradigmenwechsel der „Zeitenwende“ ein. Der Fokus lag dabei immer wieder darauf, dass sich durch den russischen Angriff auf die Ukraine neue bzw. verstärkt Handlungsimperative für die deutschen Nachrichtendienste ergeben, auf verschiedenste Bedrohungen zu reagieren und die deutsche Gesellschaft bis hin zur Bundeswehr im Ausland vor diesen Bedrohungen zu warnen. Schlüsselkompetenzen seien hier vor allem die Unterstützung der Ukraine, die Bündnisverteidigung und der verstärkte Fähigkeitsaufbau (vor allem auf hybride Angriffe vorbereitet zu sein). In all diesen Bereichen seien Nachrichtendienste heute integraler Bestandteil militärischer und ziviler Sicherheitsarchitektur und müssten stärker miteinander vernetzt agieren, um ein einheitliches Lagebild zu gewährleisten.

 

Im abschließenden Panel diskutierten Prof. Fischer, Dr. Thorsten Wetzling (Interface) und Prof. Markus Löffelmann (ebenfalls Hochschule des Bundes) über Reformbedarfe im deutschen Nachrichtendienstrecht. Dabei wurde deutlich, dass das geltende Nachrichtendienstrecht in Deutschland fragmentiert, technisch überholt und föderal zersplittert ist. Die Gesprächspartner*innen thematisierten Spannungsfelder zwischen Sicherheitsinteressen und Grundrechtsschutz sowie das Erfordernis klarer gesetzlicher Grundlagen für Befugnisse und Grundrechtseingriffe, um die Rechtsstaatlichkeit beim Handeln der Nachrichtendienste und gleichzeitig Rechtssicherheit für diese zu gewährleisten. Auch der Vergleich internationaler Kontrollmodelle und die Rolle unabhängiger Gremien wurden beleuchtet. Konsens herrschte darüber, dass Reformen sowohl rechtssicher als auch praxisnah gestaltet werden müssen – nicht zuletzt im Lichte rasanter technologischer Entwicklungen.