Diesen Fragen widmeten sich Mette Schacht und Max Steinmann, die beide ihr Auslandssemester in Taiwan verbrachten, in einem Vortrag der Hochschulgruppe für Internationale Sicherheitspolitik an der Universität Erfurt. Der Abend bot nicht nur Einblicke in historische, rechtliche und innenpolitische Entwicklungen, sondern auch Raum für Perspektiven, Fragen und persönliche Erfahrungen.
Der Vortrag begann mit einem historischen Überblick – von der Kolonialisierung Taiwans über den chinesischen Bürgerkrieg bis hin zur faktischen Abspaltung unter Diktator Chiang Kai-Shek. Um den Konflikt in seiner Tiefe zu begreifen, wurden auch rechtliche Rahmenbedingungen beleuchtet: UN-Resolutionen, bilaterale Abkommen und Kommuniqués zwischen China und den USA, nationale Gesetzgebung in China – und ihr Einfluss auf den internationalen Umgang mit Taiwan. Darauf aufbauend wurde die internationale Dimension des Konflikts analysiert, insbesondere die Rolle der USA und deren Politik strategischer Ambiguität.
Im Fokus stand zudem der Wandel des Konflikts seit der Demokratisierung Taiwans: Die zunehmende ideologische Westorientierung, das sicherheitspolitische Hedging, das parteipolitische Spektrum und das Spannungsverhältnis zwischen gelebter De-facto-Staatlichkeit und fehlender internationaler Anerkennung.
Dabei wurde deutlich: Der Konflikt ist nicht nur juristisch und geopolitisch komplex – er ist zutiefst menschlich. Mette und Max berichteten von Gesprächen vor Ort, von der Stimmung unter Studierenden, von Unsicherheit, Widerstandswillen, aber auch Resignation – geprägt von der Frage nach nationaler Identität und Souveränität. Würde sich die Bevölkerung im Ernstfall verteidigen? Fühlt sich der drohende Krieg für viele bereits wie ein unausweichliches Schicksal an?
Auch die Wahrnehmung der chinesischen Bevölkerung wurde thematisiert: Wie positionieren sich Chines*innen zur Taiwanfrage? Welche Ängste, Hoffnungen oder ideologischen Prägungen spielen dabei eine Rolle? Und welche Narrative prägen die chinesische Staatspropaganda?
Nicht zuletzt wurde die sogenannte „Silicon Shield“-Theorie – die Annahme, dass Taiwans Halbleiterindustrie durch wirtschaftliche Verflechtung einen Angriff abschreckt – kritisch hinterfragt. Kann ökonomische und technologische Abhängigkeit wirklich dauerhaft Frieden sichern?
Der Abend mündete in eine lebhafte Diskussion mit dem Publikum: Ist eine friedliche Lösung denkbar? Kann der Status quo langfristig bewahrt werden – oder ist er nur ein fragiles Zwischenspiel auf dem Weg in eine unvermeidbare Konfrontation?
Wir danken allen Teilnehmenden für das große Interesse und den intensiven Austausch.